Früher war nicht alles besser

Früher war alles besser. Der Satz ist mir kürzlich wieder mal begegnet. Echt jetzt? «Früher war vieles anders», dahinter kann ich stehen. Aber besser?

Wenn mir meine Grossmutter oder meine Mutter von ihrer Schulzeit erzählt haben, dann
sprachen sie von grossen Klassen; über 50 Kinder waren keine Seltenheit. Sie erzählten von
strengen Lehrpersonen und «Schäm-dich» Ecken. Wer Kritik wagte, erhielt mit dem Lineal
einen Schlag auf die Hände. Als Schulvorsteherin bin ich einfach nur froh, dass Innovation nicht vor der Schule Halt gemacht hat und dass Bildung und Pädagogik jetzt Hand in Hand gehen.

Heute haben wir eine andere Schule und ein anderes gesellschaftliches Wertesystem. Zu den Aufgaben von damals – Erziehung und Ausbildung – sind weitere gesellschaftliche Anliegen
gekommen, zu denen auch die Schulen einen wertvollen Beitrag leisten: Inklusion, Klimaschutz und Kinderbetreuung; um nur einige zu nennen. Die Aufgaben und gesellschaftlichen Entwicklungen werden vielfältiger und komplexer. Unsere Ressourcen – sei es finanziell, personell oder ökologisch – regenerieren sich jedoch nicht in gleichem Tempo.

Und hier kommt Innovation ins Spiel. Einstein hinterliess uns die Erkenntnis, dass wir Probleme niemals mit derselben Denkweise lösen können, durch die sie entstanden sind. Um neue Lösungen zu finden, müssen wir experimentieren und aus Fehlern lernen, Prozesse reflektieren und sie ständig anpassen. Nur so können wir uns weiterentwickeln und als Gesellschaft vorwärtskommen. Wichtig dabei ist: Innovation funktioniert nur im Team. Und es braucht eine offene, vertrauensvolle Umgebung dafür.

In der Verwaltung, die in ihrem Tagesgeschäft verlässlich, effizient und stabil sein muss, ist es oft eine Gratwanderung, sich bewusst Raum zu nehmen für Veränderung, Kreativität und der damit einhergehenden Unsicherheit. Im Departement Schule und Sport wurde kürzlich auf Eigeninitiative des Teams ein Projekt lanciert, dass die rund 1400 Anmeldungen (pro
Semester!) zu den gefragten Schulsportkursen mit einem Web-Tool stark vereinfachen wird.
Das städtische Programm «Smart City» unterstützt die Idee. Genauso wie das Pilot-Projekt der Abteilung Schule und Computer, die gerade eine Lösung prüft, bei der ein langzeiterkrankter Schüler per Avatar von zuhause aus am Unterricht teilnehmen kann. Einfach toll, oder? Ein Hoch auf Innovation und neue Erkenntnisse! Zum Beispiel die Erkenntnis, dass die guten alten Zeiten nicht in jeder Hinsicht besser waren.


Martina Blum
Stadträtin, Vorsteherin Departement Schule und Sport

Erschienen in der «Winterthurer Zeitung» am 5. Juni 2025


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