Bezahlbare Betreuung für alle

Eltern von Kindern im Primarschulalter haben es nicht leicht. Schon gar nicht, wenn sie berufstätig sind. Mit drei Kindern und einem Pensum von je 80 Prozent hätten mein Mann und ich das ohne Unterstützung schlichtweg nicht gepackt. Wir waren unendlich froh, bot die Stadt Betreuungsangebote wie den Mittagstisch oder die Nachmittags- und Ferienbetreuung.

Vielen Müttern und Vätern in Winterthur scheint es ähnlich zu gehen. Über 4300 Kinder – fast die Hälfte aller Kindergarten- und Primarschulkinder – besuchen die schulergänzende Betreuung. 600 Betreuungsangestellte setzen sich täglich leidenschaftlich dafür ein, dass alle Kinder gut versorgt werden. Die Nachfrage nach diesem Angebot hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Und es werden stetig mehr. Die Stadt Winterthur investiert jährlich rund 20 Millionen Franken in die Betreuung. Damit übernimmt sie ca. zwei Drittel der Kosten, nur rund ein Drittel müssen durch Elternbeiträge gedeckt werden.

Ausserfamiliäre Betreuung stärkt unsere Gesellschaft. Zum einen ermöglicht sie Eltern – insbesondere Frauen – bessere Bedingungen für eine stärkere Beteiligung am Erwerbsleben. Sie hat damit einen hohen wirtschaftlichen Nutzen und ist unerlässlich für die Gleichstellung der Geschlechter. Ausserdem fördert sie die Chancengleichheit der Kinder. Das gilt allerdings nur, wenn sich alle Eltern – unabhängig vom Einkommen – die Betreuung leisten können. Deshalb sind die Elternbeiträge vom Haushaltseinkommen abhängig. Rund 30% der Kinder haben zudem einen voll subventionierten Platz.

Und genau an diesem Punkt stehen wir vor einer Herausforderung. Denn die Kosten für die Betreuung steigen. Das liegt nicht nur an der erhöhten Nachfrage sondern auch daran, dass die Löhne den gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst werden. Ausserdem steigen Qualität und Professionalisierung. Das ist richtig so, doch Weiterbildung kostet.

Um diese Kosten zu decken und die Elternbeiträge möglichst tief zu halten, sollte sich an der schulergänzenden Betreuung auch der Kanton beteiligen. Gute Betreuung darf nicht nur Aufgabe von Eltern und Gemeinde sein. Der Kanton Zürich ist einer von wenigen Kantonen, der die Gemeinden in diesem Bereich nicht unterstützt. So zahlt etwa der Kanton St. Gallen seinen Gemeinden jährlich insgesamt zehn Millionen Franken für die familien- und schulergänzende Betreuung. Der Kanton Bern übernimmt 35 Prozent der Kosten des Tagesschulangebots.

Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern und die Kosten für diese wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe gemeinsam zu tragen. Dafür setze ich mich ein.


Martina Blum
Stadträtin, Vorsteherin Departement Schule und Sport

Erschienen in der «Winterthurer Zeitung» am 19. September 2024


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