Bestimmt haben auch Sie das schon erlebt: Sie waren ausgeschlossen. Man hat Sie nicht eingeladen oder Sie konnten nicht teilnehmen. Nun stellen Sie sich vor, es ginge Ihnen tagtäglich so. Leider ist unsere Gesellschaft bis heute noch so aufgebaut, dass viele nicht vollständig daran teilhaben können. Leute mit einer Sprachbarriere, Menschen mit Behinderung, Eltern kleiner Kinder, alte Menschen und viele mehr.
Als Gesellschaft sind wir verantwortlich, möglichst alle Menschen teilhaben zu lassen. Stichworte dazu sind Diversität, Inklusion oder Integration.
Die Debatte um die Inklusion in der Volksschule wurde jüngst politisch wieder angeheizt. Politikerinnen und Politiker fordern «Integration mit Augenmass», manche erklären die Integration gar als gescheitert. Schülerinnen und Schüler mit Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten oder Sprachbarrieren sollen vom Regelschulunterricht ausgeschlossen und separat unterrichtet werden – angeblich zu ihrem eigenem Wohl und dem Wohl der anderen Kinder.
Die Volksschule ist praktisch der letzte Ort, an dem Menschen aus allen Bevölkerungsschichten zusammenkommen. Es wird dort eine enorme Leistung zur Teilhabe aller Menschen erbracht. Hier lernen Kinder früh, dass Unterschiede bereichern und nicht trennen. Werte wie Empathie und Toleranz werden gelebt statt gelehrt. Jedes Kind trägt etwas einmaliges bei, das es zu fördern gilt.
Es stellt sich auch die Frage: Wie sollen Kinder, die in der Debatte als «Störer» oder «Sonderfälle» bezeichnet werden, in die Gemeinschaft zurückfinden, wenn sie separiert unterrichtet werden?
Inklusion ist eine der Hauptaufgaben unserer Gesellschaft und somit auch der Schulen. SP-Nationalrat Islam Alijaj hat es jüngst auf den Punkt gebracht: Es geht nicht um das ob sondern um das wie.
Was aber nicht passieren darf: dass die Inklusion von einzelnen Lehrpersonen gestemmt werden muss. Deshalb haben wir im Schuldepartement im Frühjahr die interdisziplinäre Taskfore «Inklusion» gegründet. Fach- und Führungspersonen werden die Schulen näher begleiten. Sie werden in herausfordernden Situationen und bei der Suche nach kreativen Lösungen unterstützen. Die Schulen sollen voneinander lernen und gute Modelle übernehmen.
Das Ziel einer inklusiven Gesellschaft haben wir klar vor Augen. Unser Job ist es weiterhin Teilhabe statt Separation zu fördern.
Der Schlüssel dazu liegt wie so oft in der Kreativität und der Innovation: Und diese kommen nicht selten genau von den Menschen, die wir bisher in unserer Gesellschaft zu wenig teilhaben lassen. Innovation entsteht, wenn wir in divers zusammengesetzten Teams arbeiten, die aus der Box hinaus denken.
Martina Blum
Stadträtin, Vorsteherin Departement Schule und Sport
Erschienen in der «Winterthurer Zeitung» am 18. Juli 2024